Bühnenblut zum Schokoriegel
Starcrawler im Gespräch
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»Ich habe unseren Gitarristen Henri in der Schule kennengelernt. Unseren Drummer Austin kannte ich schon ein paar Monate länger, wir wollten unbedingt eine Band gründen«, erzählt Sängerin Arrow de Wilde, als ihr Mund für ein paar flüchtige Sekunden nur zur Hälfte mit Chips vollgestopft ist. »Weil wir einen Bassisten brauchten, sind wir dann bei Tim gelandet.« Für eine Weile war die Band ohne Rhythmusverstärkung ausgekommen, merkte aber schnell, dass es mehr Wumms brauchte, um Starcrawler dorthin zu katapultieren, wo sie sich selbst sehen wollten. De Wilde, die das Interview überwiegend im Alleingang bestreitet, ist inzwischen 18 Jahre alt und hat die Schule beendet, ihre Bandkollegen Tim und Austin sind 20 und 22. Lediglich Henri muss mit 17 Jahren noch zur Schule – der Band zuliebe geht das zurzeit aber auch online.
Was ihren Status betrifft, haben sich die vier erst gar keine falsche Bescheidenheit zugelegt. Warum auch, wenn große Musiker schon auf einen stehen, bevor man überhaupt sein Debütalbum veröffentlicht hat. »Ich habe keine Ahnung, wie Elton John von uns gehört hat, aber er hat uns schon ein paarmal in seiner Show bei Beats 1 gespielt.« Außerdem waren sie die erste Band, die Dave Grohl im letzten Jahr für sein von ihm selbst kuratiertes Festival Cal Jam ausgewählt hatte. Ein bisschen Schub von den Eltern mag natürlich auch eine gewisse Rolle gespielt haben: Arrows Eltern sind der Drummer Aaron Sperske (Father John Misty und Ariel Pink) und die Fotografin Autumn de Wilde. Musiker wie Elliott Smith gingen bei ihr zu Hause schon früh ein und aus. So ist auch Ryan Adams auf Starcrawler aufmerksam geworden. »Ryan hat uns angeschrieben. Er sah ein paar Posts, kam zu einer Show und war sofort daran interessiert, unser Album zu produzieren. Nach ein paar E-Mails sind wir dann zu ihm ins Studio gegangen.« Sechs Songs waren zu Beginn der Aufnahmen bereits fertig, der Rest entstand im Laufe der dann folgenden vier Monate auf Tour. »Ihm ist es gelungen, einzufangen, wie wir zu der Zeit geklungen haben – diesen Livesound. Wir haben alles live eingespielt, ohne Pro-Tools und diesen Kram.« Ob sie wohl auch eine Band gegründet hätten, wenn sie nicht mit den Annehmlichkeiten der »Rock’n’Roll City« groß geworden wären? »In L.A. aufzuwachsen und Musik zu machen fühlt sich fast schon zu einfach an, weil es so viel zu tun gibt und es so viele Leute gibt, mit denen wir Musik machen können. So viele Bands sind aber auch an Orten wie zum Beispiel Delaware groß geworden. Anders als wir haben sie es zu etwas gebracht, eben weil es nichts anderes zu tun gab, als Musik zu machen und meilenweit zu fahren, um mal eine andere Band zu sehen.« Dass sie auch so eine Band hätten sein können, daran besteht hier für niemanden der geringste Zweifel. Nicht zuletzt, weil sie von vielen als diejenigen gefeiert werden, die dem so glatt geschmirgelten Genre Rock’n’Roll nachhaltig etwas frischen Rotz und Wahnsinn verpassen könnten.
Ihre erste Berlin-Show fällt, wie es der Zufall so will, auf Halloween – Starcrawler hatten aber so oder so eine Creepshow geplant. De Wildes Performance-Trickkiste beinhaltet Zwangsjacken-Outfits und verstörende Publikumsinteraktionen – inklusive Wasser- und Blutspuckerei. Mit einer Körpergröße von 1,88 Metern und einer gertenschlanken Figur fällt die Frontfrau allerdings auch ohne theatralische Bühnenshow auf. »Wir haben noch nie an Halloween gespielt, aber ich hab mir ein besonderes Outfit rausgelegt« – ein sehr kurzes Baby-Doll-Kleidchen, darunter zwei zerrissene Strumpfhosen. Es gehört für sie dazu, sich zu verwandeln, die Schüchternheit abzulegen. »Bevor es losgeht, will ich überhaupt nicht auf die Bühne.« Als menschlicher Torpedo durchs Publikum zu schießen, sich wie besessen auf der Bühne zu wälzen und dabei verstörte Blicke zu kassieren bereitet Arrow dann aber doch ziemlichen Spaß. Inspiriert habe sie vor allem der »prince of fucking darkness«, sagt sie. »Ich mochte als Kind The Beatles, aber Ozzy Osbourne war sozusagen der Erste, der mich wirklich dazu inspirierte, Musik zu machen. Zuerst waren es die Songs, später fand ich heraus, was er sonst noch so gemacht hat.« Zum Beispiel einer Fledermaus (versehentlich) den Kopf abzubeißen. Ein weiterer Schokoriegel muss noch dran glauben – dann ist wieder Zeit für Bühnenblut.