Mit Dirty Projectors, Leoniden, Xiu Xiu u.v.m.
Platten der Woche
Nachdem David Longstreth in den letzten Jahren für Kanye West, Solange oder Joanna Newsom schrieb, fand er nun wieder den Weg zurück zu seinem eigenen Projekt. Nu-R’n’B oder zumindest eine eigene Interpretation von schwarzer Musik, so könnte man Longstreth’ Werke zusammenfassen. Wenn der Hörer versucht, sich hier festzulegen, entgleitet ihm immer wieder der sprachliche Werkzeugkasten. Denn Vorhersehbarkeit ist Longstreth’ Sache nicht.
Konstantin Maier

Dirty Projectors
Dirty Projectors
Release: 21.02.2017
℗ 2017 Domino Recording Co Ltd
Verzweiflungstexte über das Jetzt und Hier, so lakonisch echt, dass sie über die pure Beschreibung hinaus- und als vertonte Zustandsanalyse einer melancholischen und musikalischen Seele – so die Deskription des eigenen Spiegelbildes – ganz tief reingehen. Der warme, fröhliche Klang verschränkt sich so wunderbar mit den Texten, die wie gewohnt kein Gramm Wortfett mit sich herumtragen.
Marco Fuchs

Christiane Rösinger
Lieder ohne Leiden
Release: 24.02.2017
℗ 2017 Staatsakt.
MacNeil hat nicht viel gewagt: wenige Instrumente, wenige Experimente, keine Ausreißer. Star dieser Platte ist ihre Stimme, die sich mehr als zuvor in die Hörorgane gräbt. MacNeil teilt auf »Day Fever« einige sehr intime Momente mit ihren Hörern. Schon die erste Single konnte kein schwereres Thema haben: »I Know You Can Hear It« handelt von Leben und Tod.
Paula Irmschler
Verschobene Nachtschattengewächse mit psychedelischer Retro-Rock-Attitüde: King Gizzard & The Lizard Wizard jammen sich so sehr den Arsch ab, dass ihnen die normale Tonleiter nicht mehr reicht. Gleich zwei Drummer kloppen die Hörer regelrecht in Trance. Klar, dass für so einen Zustand die Songs auch mal eine Länge von fünf Minuten brauchen, bis man in einem unentrinnbaren Sound-Labyrinth gefangen ist.
Konstantin Maier

King Gizzard & The Lizard Wizard
Flying Microtonal Banana
Release: 24.02.2017
℗ 2016 Heavenly Recordings under exclusive licence to [PIAS]
Die fünf Kieler haben einen so wild gewordenen Bastard von Sound gebastelt, dass man sie bald überall, wo es schön ist, mit offenen Armen empfangen dürfte. Punk und Emo stecken schon auch in dieser Platte, aber sie werden kongenial durch Elemente aus Soul und Funk erweitert und mit einem sagenhaft dringlichen Pop-Appeal versehen.
Kristof Beuthner

Leoniden
Leoniden
Release: 24.02.2017
℗ 2017 Two Peace Signs Records
Der Song »I Broke Up In Amarante« ist nicht nur lyrisch – die unausweichlichen Verbindungen zwischen den banalen und existenziellen Unwägbarkeiten des Lebens –, sondern in seiner Pop-Euphorie auch musikalisch paradigmatisch für das Gesamtwerk der walisischen Band: euphorisch verspielter Indie-Pop mit Gitarren, Glockenspiel und Synthie.
Christian Steigels

Los Campesinos!
Sick Scenes
Release: 24.02.2017
℗ 2017 Wichita Recordings under exclusive license to [PIAS]
Stephen Bruner ging es schon immer darum, Nerdism in allen möglichen Facetten auszuleben. Mit seinem neuen Album »Drunk« präsentiert er nun nicht nur den Nachfolger zu seinem 2015er-Kritikerliebling »The Beyond / Where The Giants Roam«, sondern auch ein weites Feld aus Jazz, Funk, Soul, HipHop und Electronica mit vielen beeindruckenden Feature-Beiträgen und ganzen 23 Tracks.
Sermin Usta
Zwei Qualitäten machen Xiu Xiu seit mehr als zehn Jahren einzigartig: die Lust, schonungslos das Hässliche auszustellen, und ihre Fähigkeit, in diesem Hässlichen das Schöne zu entdecken. Auf »Forget« fehlt diese Totaldissonanz, und vorbei sind auch die Zeiten, in denen sie ihre Hörer mit Techno-Beats malträtierten. Das führt aber dazu, dass man das Hören eines Xiu-Xiu-Albums vielleicht erstmals einen Genuss nennen kann.
Henje Richter
Dass sich die Band offenbar einen Dreck ums große Ganze schert und forsch einen Song an den nächsten geklatscht hat, kitzelt schon. Die so entstehenden Rupturen verwundern auf der einen Seite, zeugen aber auf der anderen von gegenseitigem Respekt und individuellem Revieranspruch. Anders gesagt: Die Köche haben den Brei unter Kontrolle, und jeder von ihnen versenkt mit Erfolg seine Würzmischung im Kessel.
Valentin Erning

Crystal Fairy
Crystal Fairy
Release: 24.02.2017
℗ 2017 Ipecac Recordings
Auf »Devil Is Fine« stehen Power und Wut nah beieinander, die Gospelpassagen werden im Laufe des kompakten Albums immer wieder von harten Metal-Riffs durchkreuzt. Aber auch Schönheit findet sich auf dieser Platte. Immer dann, wenn sich auch mal eine sensiblere Gitarrenmelodie ihren Weg durch die aufgewühlte Szenerie bahnt, Jazz für Ruhepausen sorgt oder in dem Interlude »Sacrilegium II« ein Glockenspiel ertönt.
Kai Wichelmann