»Fake«
Die Nerven
»Wo willst du hingehen, wenn du überall schon warst? Wo gehst du hin, wenn dich überall was stört?« fragt Julian Knoth in »Niemals«. Die Nerven haben eine Antwort: weiter, rein, durch. Von der ersten Sekunde an gräbt sich die vierte Platte der Stuttgarter in den postadoleszenten Schmerz und die allgemeine Verdrossenheit. Unmittelbarer und wütender als in der brachialen Single »Frei« (Song des Jahres) geht es nicht. »Lass alles los, gib alles frei, nichts bleibt.« Hier wehrt sich Max Rieger mit allem, was er hat. Gegen alles. Verweigerung ist bei ihm immer Flucht nach vorne. Das ist immer noch dein Leben, auch wenn du selbst nichts mehr entscheidest.
»Fake«, das muss man so simpel schreiben, ist das beste deutsche Album des Jahres 2018. Und das wird auch so bleiben. Rieger prügelt und streichelt seine Gitarre im steten Wechsel, Knoth am Bass und Kevin Kuhn am Schlagzeug legen unter Riegers Postpunk-Attitüde das gewohnt ultrapräzise Fundament. »Alles falsch« zitiert in Haltung und Sound EA80, »Skandinavisches Design« kommt direkt aus der Garage, »Dunst« zieht alleine schon mit seinem energisch treibenden Ende den Stecker. Bei aller musikalischen Fertigkeit sind Die Nerven auch deshalb so gut, weil sie sehr organisch miteinander agieren. Nichts drängt sich auf, nichts ist eitel. »Fake« endet nach einer intensiven Dreiviertelstunde mit dem kathartischen Titelsong und bietet zum letzten Mal Hilfe an: »Her mit euren Lügen, her mit eurem Leid.«