Irgendwie Romantiker
Destroyer im Gespräch
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Das Bemerkenswerteste am neuen Destroyer-Album ist der sehr handgemacht klingende Sound. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich Dan Bejar beim Schreiben zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder seine Gitarre gegriffen hat: »Ich bin nicht der beste Gitarrenspieler der Welt, aber irgendwie sind die Songs auf diesem Album relativ leicht zu mir gekommen – auch wenn ich mich immer ein bisschen komisch fühle, wenn ich das zugebe. Schließlich vertrete ich das Ideal, dass man für ein gutes Album schon auch richtig leiden muss.« Diese Leichtigkeit der Aufnahmen zeigt sich auf diesem Album in der für Destroyer schon fast poppigen und ungewöhnlichen Dichte der Texte und Sounds. Da hauen keine Songs mehr ab, wie das noch auf »Kaputt« der Fall war. »Ken« ist stattdessen durch einen starken 80er-Jahre-Synthie-Sound geprägt, der zum Beispiel in »Stay Lost« an einen Gary Newman erinnert. Aufgenommen wurde das Album von Destroyer-Schlagzeuger Josh Wells, der sich sehr um einen eingängigen, visionären Sound bemüht hat. Zwischendurch taucht im Hintergrund von »La Regle Du Jeu« plötzlich ein unfassbares E-Gitarren-Solo auf. Oder ein Song wie »Tinseltown Swimming In Blood« erinnert mit seinem immer wieder geloopten Chorus »I was a dreamer, watch me leave« an eine dieser The-Cure-Songzeilen, die man für eine Woche nicht mehr aus dem Kopf bekommt und noch am nächsten Tag beim Abwaschen mitsummt.
Dieser Beobachter erinnert auf dem Album an einen allwissenden Filmcharakter, den man sich gut in einem David-Lynch-Film vorstellen könnte. Manchmal scheint es fast so, als würden die Protagonisten auf »Ken« von Song zu Song springen und sich dabei weiterentwickeln und verändern. Da ist immer eine Dunkelheit, die dann wieder durch eine optimistische oder ironische Songzeile karikiert wird, wie in »Ivory Coast«, wo es heißt: »Mama says: Sometimes everyone hurts. Some beasts eat their shirts when they’re hungry!« Selbst in der schwärzesten Seele oder der verrücktesten Figur scheint es immer noch Hoffnung auf etwas Gutes zu geben. Für Dan ist dieses Zusammenspiel aus Hell und Dunkel für das Funktionieren von »Ken« essenziell, wie er erklärt: »Ich glaube, dass die Menschen, die meine Songs bewohnen, alle irgendwie Romantiker in einer Welt ohne Hoffnung sind, die trotzdem aus irgendwelchen Gründen noch in der Lage sind, Erwartungen zu haben. Romantische Idealisten, wenn man so will.« Es sind anachronistische Personen, die diese Destroyer-Song-Welt bewohnen und den Hörer in den besten Fällen herausfordern, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Da gibt es Songs wie »Sometimes In The World«, in dem Dan Bejar singt: »Sometimes in the world the thing that you love dies and you cry and you cry.« Ein Gefühl, das wahrscheinlich jeder schon mal in ähnlicher Form gehabt hat, dessen Schwere aber plötzlich in diesem Song musikalisch durch den Beat eines nach vorne treibenden Schlagzeugs aufgelöst wird und die HörerInnen durch die eigenen unangenehmen Gedanken trägt. Dan Bejar gelingt es, in diesen manchmal auch ruppigen und unbequemen Songs Dinge zu transportieren, derer man sich sonst wahrscheinlich entziehen würde. »Good things come to those who wait«, singt er in der letzten Zeile auf »Ivory Coast«. Mit »Ken« bekommt die Unsicherheit der Welt auf jeden Fall einen adäquaten Soundtrack, der zwischendurch romantisch idealistisch darauf hoffen lässt, dass vielleicht doch noch alles irgendwie gut wird.