Nie genug Techno
Boys Noize im Gespräch
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Der 32-Jährige sitzt im Dachgeschoss seiner PR-Firma in der Nähe des Kottbusser Tors und ist wie meistens komplett schwarz gekleidet – Hoodie und Doc-Martens-Stiefel. Dass dieser besonnene Mensch ein paar Tage später mit Hunderten Menschen das Kreuzberger MyFest vor dem Club Musik und Frieden mit einem energetischen DJ-Set feiern wird, bis die Polizei einschreiten muss, kann man sich kaum vorstellen. Ridha ist niemand, der laut auftritt und Statements herausposaunt, sondern ein Gesprächspartner, der lieber einen Moment zögert, bevor er eine Antwort gibt.
Sein viertes Album »Mayday« vereint diverse Stile – wie oft bei Boys Noize. Es erinnert an frühe Rave-Platten, an die Anfänge der Chemical Brothers und von The Prodigy und ist deutlich von der Industrial- und EBM-Bewegung der 1980er-Jahre beeinflusst. »Als Leitmotiv wollte ich verschiedene Tempi ausprobieren, etwa den 4/4-Beat brechen. Ich versuche eben immer, neue Sounds zu benutzen. Die Herausforderung ist für mich, immer bei Null anzufangen.« Für die Arbeit am Album hat er sein Studio mit neuem Equipment vollgepackt. Ridha geht es stets darum, eine Vielfalt an Genres zu versöhnen: Indie, Punk, House und Techno sind für ihn ebenbürtige Referenzpunkte. Keine Gegensätze, sondern Musikstile, die sich gegenseitig bereichern. Das hat ihn auch bei »Mayday« inspiriert, weshalb es neben der Kollaboration mit üblichen Verdächtigen wie Hudson Mohawke, TEED, Benga oder Spank Rock auch den prägnanten Song »Starchild« gibt, einen Track, der Ridhas Wunschkandidatin, Poliça-Sängerin Channy Leaneagh, featurt.
Wenn man meine Musik betrachtet, war ich immer der Außenseiter: nie genug Techno, nie genug Mainstream, nie in den Charts oder im Radio.
Eine Haltung, die auch ihn antreibt. Angebote von Major-Labels lehnt er konsequent ab. »Am Ende ist es eine Plattenfirma, die Geld ausgibt und das Geld wieder reinhaben will. Der Kreislauf funktioniert erst, wenn man tut, was sie wollen.« Ein System, das ihm absolut widerstrebt: »Man lässt sich unbewusst in eine Richtung drängen.« Seine Konsequenz daraus: ein eigenes Label. Mit 17 wurde er mit seinem Bandprojekt Kid Alex von Universal unter Vertrag genommen. »Beim ersten Album war alles cool. Beim zweiten Album haben sie versucht, mich mit Songwritern ins Studio zu setzen. Ich habe gesagt: ›Ey, sorry, ich präsentiere nichts, was nicht von mir kommt‹ und habe zu allem Nein gesagt. Das hat mir für meinen Weg geholfen. Warum soll ich Musik fürs Radio schreiben? Das ist nicht meine Natur.«
Neue Bands in L.A. zu entdecken und zu fördern – das ist sein Ding. »Die Kids dort haben alle noch kein Label und kennen sich untereinander nicht mal. Der Punkvibe, den ich mit Techno verbinde, ist für die auch neu.« Neulich hat er eine Warehouse-Party zum Album in Skid Row organisiert, einem der ärmsten Stadtteile von L.A., in dem Musiker verlassene Fabrikhallen für illegale Partys nutzen, eine »Industrial Area, nur Warehouses und Zäune, da will niemand wohnen«. Auch wenn die Atmosphäre dort anders als in Berlin ist: »Es gibt keine Nachtkultur, alle Clubs und Bars schließen um zwei. Damit entfällt ein großes Stück unserer elektronischen Musikkultur. Wir haben trotzdem bis sechs Uhr gefeiert.«