Was erlauben sich die Kritiker?
25 Jahre Rezensionen
Schon 1995 erörterte der perfekt deutsch schreibende Brite Harry Calvino ausufernd Hintergründe und Faszination des britischen Klassenkampfs, der die Popwelt auch noch die kommenden zehn Jahre bewegte. Dass seine Doppelkritik letztlich die Länge eines großen Artikels erreichte, wurde von der Redaktion zu dieser Zeit stilschweigend akzeptiert.

Blur
The Great Escape (Special Edition)
Release: 11.09.1995
℗ 2012 Parlophone Records Ltd, a Warner Music Group Company
Nur ganz selten kapitulierte ein Autor vor seinem Rezensionsobjekt. Und noch seltener wurde das so leichtfertig erklärt wie von Fanzine-Ikone Weber (Pitti Platsch 3000) in einer E-Mail an den damaligen Redakteur Linus Volkmann. Der ließ sich den Spaß nicht nehmen und druckte die Absage als Plattenkritik ab. Sagte ja auch eigentlich alles Nötige aus.
Nur wenige konnten in Intros Historie so wortgewandt und abgrundtief hassen wie der spätere Festivalguide-Chefredakteur Boris Fust. Und wie im vorliegenden Fall der bemitleidenswerten Mobylettes traf sein Furor – nach Ansicht der Restredaktion – nicht immer die richtigen.

Mobylettes
Catch-As-Catch-Can!
Release: 06.06.2008
℗ 1997 elbtonal
Angesichts dieses Fundes kann man auf den Gedanken kommen, dass Intro seine Punk-Wurzeln mittlerweile ganz schön verraten habe. Tja, in die 1990ern besprachen tatsächlich noch Stilikonen wie der Fanziner, Musiker und Buchautor Tom Tonk (Eisenpimmel) für Intro den deutschen Punk-Untergrund. Ob diese uns nicht bekannten Bands aber wirklich jemals von Relevanz waren, bleibt uns schleierhaft.
Diese Rezension ist auf zwei Gründen in dieser Auswahl: Zum einen wegen der Formulierung »Durchfall kann man halt nicht vortäuschen«, die in der damaligen Redaktion offenbar lange hängenblieb. Zum anderen als Dokument des Frühwerks des berühmt-berüchtigten späteren Sportkommentators Jörg Dahlmann. Ja, aus manchen Intro-Leuten ist tatsächlich etwas geworden.

Helge Schneider
Es rappelt im Karton
Release: 30.11.1995
℗ 1995 Roof Music GmbH
Im Fall des siebten Turbonegro-Albums wollte sich Volkmann eigentlich kurz halten, gab diesen Ansatz aber schnell auf und zitierte stattdessen einen Songtext der kurzlebigen Berliner NDW-Band UKW. Quasi die Metaebene von Popkritik.

Turbonegro
Party Animals
Release: 29.01.2008
℗ 2005 Burning Heart Records
Auch eine Form der Plattenkritik: Der Herrenmagazin-Schlagzeuger Engler findet das Soloalbum Alec Empires offenbar eigentlich gut, stößt sich aber am Promo-Text. Okay: So sollte man es eigentlich nicht angehen. Als Entschädigung gibt’s vom Autor eine Liste seiner Lieblingsbands. Natürlich ungefragt.

Alec Empire
Futurist
Release: 28.03.2005
℗ 2005 Digital Hardcore Recordings
Keine große Zukunft beschieden war dem bemitleidenswerten Autoren Zöllner. Denn seine Aufforderung ausgangs seiner ansonsten sehr ordentlichen Kritik sorgte für einen der größten Skandale in Intros Historie: Plattenfirma und Künstler waren in dieser Zeit des Umsatzrückgangs durch die Popularisierung der CD-Brenner gar nicht amüsiert, und es bedurfte diplomatischen Fingerspitzengefühls, um die Wogen wieder zu glätten. Ist uns letztendlich und zum Glück dann auch gelungen. Ob wir sonst vielleicht gar nicht mehr hier säßen?

Gorillaz & Space Monkeyz
Laika Come Home
Release: 11.04.2014
℗ 2014 Parlophone Records Ltd, a Warner Music Group Company.